Und immer wieder wächst das Gras…

Die Anlehnung an den wunderbaren Gundermann-Song ist das Motto einer Fotoausstellung im Gemeindezentrum Alte Post, die ich gestalten durfte. Hoyerswerda und die Lausitz, das sind Themen, die mich schon ewig begleiten.

Die Ankündigung

Huderich spielt für mich! Zugegeben, ein doch etwas abwegiger Gedanke. Und dennoch – sie spielten bei der Eröffnung MEINER Fotoausstellung! Oder durfte ich die Dekoration für ihr Konzert liefern? Beide Gedanken haben einen gewissen Charme und die Schnittmenge aus beiden bildet wohl die Wahrheit.

Rückblende November 2022: Ob ich mir eine Fotoausstellung über die Lausitz und Hoyerswerda vorstellen könne? Mein Interesse für diese Themen war ja hinlänglich bekannt.

Ich war skeptisch. Wer will meine Bilder sehen? Gut, ich fotografiere für mein Leben gern und meine „alte“ Heimat bietet doch Motive. Letztendlich wurde ich mit Huderich „geködert“, das muss ich wohl zugeben. Zur Erinnerung: Das Konzert in der Alten Kirche in Klotzsche.

Und das Thema Lausitz „brennt“ für mich tatsächlich.

Die Lausitz wird ein Brennglas sein für die gesellschaftlichen Veränderungen und Transformationen, die uns bevorstehen. Wie wollen wir leben und arbeiten? Welche Bedeutung hat der Naturschutz und wie stark wird er unser Leben beeinflussen und ändern? Kann man eine ganze Region „umstrukturieren“ und welche gesellschaftlichen Folgen wird es mit sich bringen?

Da ich einen großen Teil meiner Kindheit und Jugend dort verbracht habe, sind diese Fragen für mich besonders interessant. Ich bin in der Gegend immer mal wieder unterwegs, sei es mit dem Motorrad oder mit dem Flugzeug. Immer wieder entstehen dabei Bilder. Einige davon sind in der Ausstellung zu sehen. Es erzeugt einerseits eine etwas wehmütige Stimmung, wenn man sieht, wie vertraute Orte einfach verfallen. Andererseits bin ich sehr gespannt, wie sich die Zukunft gerade in der Region Hoyerswerda entwickeln wird.

Und es wurde ein ganz wunderbarer Abend. Ich kam nicht umhin, eine kurze Eröffnungsrede zu halten, etwas, was mir vor einem größeren Publikum nicht so richtig liegt. Und die Bude war voll …

Gut gefüllt

Die Band gab Alles!

Voll in Aktion

Hinterher war immer noch Zeit, über die Bilder und ihre Geschichten zu sprechen. Ich war überrascht, wie viele Leute doch nachgefragt haben und manchmal auch über ihre eigenen Gedanken und Erlebnisse zu den gezeigten Motiven sprachen. Letztlich war ich heilfroh, meine anfängliche Skepsis überwunden zu haben. Mein Dank gilt den Organisatorinnen (ja, alles Frauen 🙂 )und der Band! Und ich denke, das Thema Lausitz gibt noch einiges her.


 

 

Der braune Dreck?

Grit Lemke „Die Kinder von Hoy“ – Eine Buchbesprechung

„Hoyerswerda, dieser steingewordene Reißbrett-Traum realsozialistischer Karnickelzüchter.“

„Willkommen in einem bösartigen, hässlichen Alltag, der hässliche, bösartige, dumpfe Menschen stanzt.“

Diese Sätze schrieb Matthias Matussek im „Spiegel“, im September 1991 wohl ganz unter dem Eindruck der damaligen ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Hoyerswerda.

Die Stadt und ihre Einwohner hatten ihren Stempel weg. „Jahrelang mussten sie schweigen. Jetzt fließt der braune Dreck in Strömen aus ihnen heraus.“

Schublade auf, Menschen rein, Schublade zu. So einfach!

Hoyerswerda also als einzige braune Ausgeburt? Im Jahre 1991 konnte es so scheinen, zumal wenn der Blick von außen kam und das Urteil eigentlich schon feststand.

War das damals berechtigt? Ist es heute berechtigt? Im Jahre 1991 hatten sich die Menschen in Hoyerswerda dieses Image scheinbar redlich verdient. Und dennoch lohnt sich ein zweiter Blick auf dieses eigenartige Stadtexperiment, welches in den 1950ern ehrgeizig begann und 1990 so abrupt endete. Zumal dieses Wachsen und Scheitern und auch der Nachhall davon bis heute einen Aspekt der deutschen Wiedervereinigung erzählen, welcher extrem polarisiert. Ein Aspekt, der zu oft auf vorgefertigte Meinungen trifft. Verschiedene Blickwinkel sind dringend nötig. Doch woher sollen sie kommen?

Grit Lemke, eine Autorin und Dokumentarfilmregisseurin, geboren 1965 in Spremberg, hat Ihre Kindheit und Jugend in Hoyerswerda verbracht, ist dort zur Schule gegangen.

In „Die Kinder von Hoy“ gibt sie dem Leser diesen anderen Blick. Er kommt nicht von außen. Er wurde erlebt.

Hoyerswerda-Neustadt ist eine Reißbrettstadt, das ist wahr. Aber das Mattusek-Zitat ist in seiner Einseitigkeit so bösartig wie falsch.

Nichts hatten die anfänglichen Pläne für diese Stadt mit Karnickelzüchterphantasien gemein.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Träume der Aufbauzeit schon bald durch die Realität der sozialistischen Planwirtschaft auf das Unkenntlichste verwässert und verzerrt wurden. Die anfänglichen Planungen beruhten auf den Grundsätzen, die in der „Charta von Athen“ niedergeschrieben waren, entsprachen also dem Zeitgeist. Hoyerswerda sollte eine moderne, funktionale Stadt werden.  Wer waren ihre Erbauer?  Grit Lemke beschreibt sie so:

„Die einfach auf der Suche waren, nach einer Arbeit und einem Dach über dem Kopf. Viele von ihnen hatte man woanders rausgeschmissen oder sie kamen aus dem Knast. Heimatlose, für die es sonst auf der Welt keinen Platz gab. Man hatte sie gerufen, um hier, mitten in Kiefernheide, ein riesiges, neues Werk und eine Stadt für die Arbeiter zu bauen. Eine „sozialistische Wohnstadt“ sollte es werden.

[…]

„Alles schien möglich zu sein: Strom aus Kohle machen zu machen, eine Stadt aus dem Heideboden stampfen und die Sterne in die Stadt zu holen.“

WK 1- die vielversprechenden Anfänge

Brigitte Reimann, eine andere bekannte „Hoyerswerdsche“, zeitweilig zumindest, hat darüber in ihrer „Franziska Linkerhand“ ebenfalls eindrucksvoll erzählt.

Als Grit Lemke zur Schule ging, war diese Linkerhand -Zeit dann doch schon vorbei.„Die ersten Erbauer, die Habenichtse und Halsabschneider, waren irgendwann weitergezogen. Die, die gekommen waren, um in Pumpe zu arbeiten, waren geblieben, unsere Eltern. Sie wollten ihren Kindern alles geben.“

Aufbau – Blick auf das WK 8

Anschaulich erzählt sie über ihre Kindheit. Eine sozialistische Kindheit zwar, geprägt vom Leben im Kollektiv, die aber ansonsten ziemlich „normal“ verlief. An keiner Stelle des Buches hat man den Eindruck, dass irgendetwas Essentielles fehlte.

In ihrer Sprache, ihren Beschreibungen hört man dieses eigenartige Hoyerswerdaer Idiom, das mir selbst immer noch so unheimlich vertraut ist. Wenn man sich darauf einlassen will, kann man versinken in dieser Kinderwelt, die weitestgehend sorgenfrei schien. Eine Stadt voller Kinder, die gemeinsam aufgewachsen sind.

Die Autorin lässt in ihrem Buch Freunde und Bekannte fast interviewartig zu Wort kommen. So entsteht der Eindruck eines sehr langen Gespräches über Hoyerswerda und seine Leute. Der „Laden“, ein stadtbekannter Jugendklub, ist so etwas wie das geographische Zentrum ihres Romans, seine Bewohner erzählen ihre Geschichte. Die auch wieder sehr „DDR-typisch“ war, da sich jener „Laden“ eben auch als eine Insel Gleichgesinnter, eine Art „geschlossene Gesellschaft“, präsentiert hat, zu der nicht jeder unbedingt immer Zugang hatte.

Wie konnte es dazu kommen, dass aus Kindern, die gemeinsam aufgewachsen sind, in den späten 80ern und frühen 90ern erbitterte Feinde geworden sind? Dass sie sich aufteilen in Rechte und Linke, Punks und Faschos? Dass diese Aufteilung in Gewaltorgien mit manchmal tödlichem Ausgang endete?

Alle sind da gemeinsam hingezogen. Die Kinder waren alle ungefähr im gleichen Alter…Und auch im Haus, jeder kannte jeden. Ich habe in jeder Badewanne mal gebadet.“

Ich finde, das Buch gibt darauf keine eindeutige Antwort. Kann es vielleicht auch gar nicht. Möglicherweise muss man hier auch den generellen DDR-Kontext sehen, den Niedergang, die Tristesse, aus der jeder so seinen Ausweg sucht.

Endzeit- Hoyerswerda in den 80ern

Die einen wenden sich linken Kulturprojekten zu, Gundermann spielt hier eine nicht unwesentliche Rolle, andere radikalisieren sich nach rechts und reagieren sich an den zahlreichen Gastarbeitern aus Vietnam und Mozambique ab, mit denen sie bis zur Wende noch in gemeinsamen Brigaden gearbeitet haben. Aber auch wenn Grit Lemke hier keine vordergründige Ursachenanalyse betreibt, liest man doch sehr anschaulich, wie diese Prozesse abgelaufen sind.

„Das war schon im Klubhaus in den Achtzigern so: Die rannten als Punk rum, und am nächsten Tag kamen’se als Skinhead. Hä? Wie wechseln denn die die Seiten? Das war schon komisch, diese Jugendkulturen. Bedrohlich wurde das erst später.“

[…]

Mit einem meiner besten Freunde stand ich mir einmal gegenüber. Da hatte der weiße Schnürsenkel, und ich hatte rote. Aber der hätte mir nie off die Fresse gehauen. Verrückt? Wir sind uns dann einfach ausm Weg gegangen. Es ging eben nich mehr.“

Und die Eltern? Ziehen sich ins Private zurück.

„In den großen Städten, in den Seminarräumen und Studentenkellern der Unis, an Theatern und in Cafés wird über Glasnost und Perestroika diskutiert.

In Hoy aber rollt unbeirrt von den Gängen der Weltgeschichte der ewige Kreislauf der Schichtbusse.“

Es ist diese Zeit, in der die Stadt wahrscheinlich „zerbrochen“ ist. Untrennbar mit dem Niedergang des Werks. „Pumpe“ wurde in seiner technisch veralteten Überdimensionierung schlicht nicht mehr gebraucht. Und so verfiel auch die Stadt, zumindest Hoyerswerda-Neustadt. Es verfiel nicht nur die Bausubstanz. In vielen Fällen verfiel auch die Moral und die hässliche Fratze des Spießbürgers kam zu oft zum Vorschein.

Die sozialistische Tristesse glitt hinüber in eine wirtschaftliche Perspektivlosigkeit, die eben auch noch trist war.

Das Buch beschreibt die Auseinandersetzungen in einer zutiefst polarisierten Stadt, mit Verletzten, ja, auch Toten, von Dagegenhalten, von Aufgeben, von Weggehen und Wiederkehren. Von Menschen, die versuchen, sich in dieser veränderten Zeit treu zu bleiben, von Menschen, die einst ihre Freunde waren und nun abdriften und von spießigen, kleinkarierten und ausländerfeindlichen Kleinbürgern. Die eben, im übertragenen Sinne, auch mal ihre Eltern waren, die ihnen doch alles geben wollten.

Sicher, dies alles gab es wahrscheinlich in der gesamten ehemaligen DDR. Aber Hoyerswerda, mit seiner ganz eigenen Geschichte, war eben ein Art Brennglas. In Hoyerswerda -Neustadt hatte alles irgendwie einen gemeinsamen Startpunkt. Es gab nichts, was „historisch gewachsen“ gewesen wäre. Das Buch liefert einen Insider-Blick. Ich bin mir nicht sicher, ob das Buch jemanden sofort anspricht, der eben nicht so aufgewachsen ist. Aber es lohnt sich, sich darauf einzulassen.

Jeder sollte, bevor er sein Urteil fällt, auch einmal versuchen, diesen Blickwinkel einzunehmen. Es ist ein Stück Ostgeschichte. Ein Stück, das man auch zur Kenntnis nehmen sollte, wenn man sich, zumal in den Medien, zum wiederholten Mal die, mittlerweile etwas platte Frage, stellt, wie denn der Osten nun „tickt.“

„Jahrelang mussten sie schweigen. Jetzt fließt der braune Dreck in Strömen aus ihnen heraus.“

Nicht ganz falsch aber eben auch nicht die ganze Wahrheit. Oft ist man heute auch schnell wieder dabei, große Teile des „Ostens“ in die rechte Ecke zustellen. Oft genug gibt es dazu leider auch handfeste Anlässe. Vorurteile helfen allerdings genauso wenig wie ein permanentes Beleidigt-Sein. Insofern sind Bücher wie dieses ganz wichtig, wenn man Hintergründe und Zusammenhänge verstehen möchte.

Fazit: Unbedingt lesen!

Anmerkung: Ich bin selbst in Hoyerswerda aufgewachsen und dort zur Schule gegangen. Vieles im Buch kommt mit sehr bekannt vor, zu einigen Dingen hatte ich keinen Zugang, zum Beispiel zum Umfeld des erwähnten „Ladens“.

Die Bilder des Beitargs wurden mir freundlicherweise aus dem Privatarchiv einer Einwohnerin von Hoyerswerda zur Verfügung gestellt.

Alle kursiv geschriebenen Textstellen sind Buchzitate.

Muss man sie respektieren?

In den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ habe ich einen sehr nachdenkenswerten Beitrag von Rebecca Solnit entdeckt.

„Warum wir Nazis nicht entgegenkommen sollten“.

Es gibt aus meiner Sicht einige Kernsätze, die das Anliegen des Essays gut auf den Punkt bringen. Einer diese Sätze ist:

Zitat:

Wenn die Hälfte von uns glaubt, die Erde sei eine Scheibe, schaffen wir keinen Frieden, indem wir uns darauf einigen, dass sie ein Mittelding zwischen einer Scheibe und einer Kugel ist. Diejenigen von uns, die wissen, dass die Erde rund ist, werden die anderen nicht durch einen Kompromiss gewinnen.

Zitatende

Dem ist eigentlich auch gar nichts hinzuzufügen. Sie hat Recht mit ihrer Aussage. Dennoch ergeben sich für mich daraus Gedanken, die dann offensichtlich doch von denen der Autorin divergieren. Vielleicht tun sie es auch nicht, sondern fahren nur an dem Punkten fort, an denen sie ihre Argumentation beendete.

Rebecca Solnit besteht in ihrem Essay auf einer unbedingten Kompromisslosigkeit gegenüber Nazis. Sie erklärt im Postscriptum, was sie unter Nazis versteht und auch dem stimme ich uneingeschränkt zu. Und um es vorab festzustellen: Ich finde, man kann die – amerikanische- Sichtweise der Autorin durchaus auch auf Europa, auf Deutschland projizieren. Die Akteure heißen dann anders aber es läuft auf das Gleiche hinaus. Ich glaube auch, obwohl ich kein Jurist bin, dass es die Gesetzeslandschaft in Deutschland zulässt, den konkreten Handlungen von ausgewiesenen Nazis, im Sinne von Rebecca Solnits Erklärung, Einhalt zu gebieten. Die Stichworte sind Volksverhetzung, Holocaustleugnung, Strafbarkeit von Gewalt, um nur einige zu nennen. Gesetze müssten nur immer konsequent angewendet werden.

Ein weiterer Kernsatz bringt mich dann aber zu anderen, weiteren Überlegungen.

Zitat:

Impliziert wird hier wie üblich: Wir – das urbane, multi-ethnische, liberal-bis-radikale, nur-teilweise-christliche Amerika – müssen mehr Zeit investieren, um das „Make America great again“-Amerika zu verstehen.

Zitatende

Hier wird es aus meiner Sicht komplizierter. Dieses MAGA – Amerika und seine Pendants in Deutschland und Europa bestehen doch nicht nur aus Nazis im Sinne der oben genannten Definition. Fast die Hälfte der wahlberechtigen Amerikaner wählte Donald Trump, mehr als 70 Millionen Menschen, davon eben auch eine große Anzahl ethnischer Minderheiten. Alles Nazis? Soll man sich diesen Menschen gegenüber rigoros abgrenzen, wie es das Essay suggeriert? Es wäre fatal.

Ich zitiere hier nochmal Rebecca Solnit:

Wir sollten damit aufhören die andere Seite versöhnlich stimmen zu wollen.

Zitatende

Ist MAGA-Amerika die andere Seite? Sie schreibt weiterhin:

Zitat:

Meiner Ansicht nach hat unsere Seite – man verzeihe mir die anhaltende Vereinfachung und binäre Logik – allen etwas zu bieten, und wir können und müssen es auch ganz konkret anbieten, um auf lange Sicht die Oberhand zu gewinnen, und zwar mittels besserer Narrativer und einer besseren Verbreitung dieser Narrative, damit sie wirklich alle erreichen.

Zitatende

Einerseits erschließt sich mir aus der reinen Lektüre des Artikels nicht ganz, wen sie mit „unserer Seite“ meint. Andererseits fällt es mir schwer zu glauben, dass sie konkret „etwas anzubieten hat“.

Zitat:

Wir wollen, dass jede*r von der eigenen Arbeit leben kann und Zugang zu medizinischer Versorgung hat und dass sich Gesundheits-, Studien- oder Wohnkosten bei niemandem zu einer riesigen Schuldenlast auftürmen. Wir wollen, dass unser Planet in guter Verfassung ist, wenn die diesjährigen Neugeborenen im Jahr 2100 achtzig Jahre alt werden.

Zitatende

Hier liegt meiner Meinung nach ein Schlüssel. Ich denke, dass das Problem bei einer großen Anzahl der Menschen, die Trump gewählt haben, eben ist, dass sie abgehängt sind und keine Aussicht darauf haben, jemals anständig von ihrer eigenen Arbeit leben zu können. Und das ist nicht nur „Schuld“ der Republikaner. Und hier hilft es eben nicht, sich rigoros „unversöhnlich“ zu geben. Auch die Linke, ganz gleich wo, hat derzeit kein schlüssiges Modell, wie dieses Problem zu lösen ist.

Wie kriegen wir es hin, dass Millionen von Menschen, die sind in einer sich rasend schnell ändernden industriellen Welt schlicht nicht mehr gebraucht fühlen und das auch immer öfter ökonomisch bestätigt bekommen in Gestalt eines dramatischen Abstiegs, ihr Leben im Sinne dieser Narrative gestaltet bekommen? In dem man sich pauschal von ihnen abwendet sicher nicht. Wie gesagt, Handlungen, die im Sinne der Gesetze strafbar sind, müssen konsequent geahndet werden, daran darf kein Zweifel bestehen. Und reaktionärem Gedankengut muss man widersprechen. Auch das wird nicht in Frage gestellt.

Es geht auch nicht darum, dass die Wahlgewinner vor den Wahlverlierern katzbuckeln, wie es im Text heißt. Es geht darum, die Umstände zu ändern, die dazu führen, dass derartig viele Menschen für die Parolen der Rattenfänger empfänglich sind. Dazu muss man bereit sein, Beweggründe zu verstehen. Verstehen heißt nicht, alles gut zu heißen. Und letztendlich heißt es auch, grundlegende eigene Verhaltens- und Denkweisen in Frage zu stellen, wirtschaftlich und politisch.

Zitat:

Das Gefühl, nicht respektiert zu werden, merkt er an, „wird nicht durch die politische Agenda der Demokraten erzeugt und ebenso wenig durch das, was demokratische Politiker sagen. Woher also kommt es? Eine komplette Industrie widmet sich der Aufgabe, Weißen einzureden, dass liberale Eliten auf sie herabblicken. Die Rechte verfügt über einen gigantischen Medienapparat, der damit befasst ist, den Leuten einzureden, man respektiere sie nicht, und über eine Partei, deren Entscheidungsträger allesamt verstanden haben, dass diese Vorstellung von zentraler Bedeutung für ihr politisches Projekt ist, und deshalb bei jeder Gelegenheit in den Chor einstimmen.“

Zitatende

Das ist auf eine gefährliche Art simplifizierend. Ja, es gibt diese Industrie. Es ist aber auch ein Fakt, dass überall Menschen, die arm sind, keine Lobby haben, die abgehängt sind, tatsächlich nicht respektiert werden. Von denen nicht respektiert werden, die von allem mehr als genug haben. Von denen, die die wirtschaftlichen und politischen Geschicke lenken. Ein Beispiel hierfür ist übrigens auch der Umgang mit Flüchtlingen in Europa. Aber letztlich ist dieser Mechanismus unabhängig von der Hautfarbe.

Die Zustände in Amerika, und damit das Gefühl vieler Menschen, nicht mehr respektiert zu werden, sind ein Ergebnis des Handelns der gesamten politisch und wirtschaftlich herrschenden Klasse, sowohl der Demokraten als auch der Republikaner. Insofern finde ich die oben gemachte Aussage falsch. Auch die Demokraten, zumindest ein großer Teil ihrer führenden Köpfe, haben es sich in diesem System, welches immer gefühlte und tatsächliche Verlierer erzeugt, sehr bequem gemacht und profitieren davon.  

Ja, das urbane, multiethnische, liberal-bis-radikal, nur teilweise christliche Amerika, muss definitiv mehr Zeit investieren, um das MAGA-Amerika zu verstehen. Es gibt eine Schnittmenge zwischen ausgewiesenen Nazis und diesem MAGA-Amerika. Aber die ist bestimmt nicht 100 Prozent.

Zitat:

Jetzt ist die richtige Zeit, auf unseren Prinzipien zu bestehen.

Zitatende

Das ist nichts wert, wenn man es nicht schafft, die „unterlegene“ Seite in großen Teilen einzubinden und, wie man heute sagt, sie „mitzunehmen“.  Es bedeutet nichts anderes, als die eigenen Narrative, der anderen Seite nahezubringen und sie ihnen nicht nach dem Motto „Friss oder stirb“ hinzuschmeißen. Und selbstverständlich gehören dazu auch Kompromisse. Sonst bleiben diese Narrative eine hohle Phrase. Und es hilft nicht, Versöhnlichkeit und Respekt im Gefühl, gesiegt zu haben, abzulehnen.

Bis dahin hat man nicht „gesiegt“, wie es im Essay behauptet wird, sondern lediglich eine Wahl gewonnen.

Geschichtlich weit ausgeholt, aber: Hätten die Alliierten nach dem ersten Weltkrieg so gehandelt, hätte der Vertrag von Versailles anders ausgesehen, hätten die Nazis im Deutschland der 20’er und 30’er Jahre des letzten Jahrhunderts nicht so ein leichtes Spiel gehabt.

Was bleibt von der Braunkohle?

Während meiner Recherche zum Thema Braunkohle im Jahre 2014 stieß ich auf den verlassenen Ort Haidemühl. Damals dachte ich schon daran, noch einmal zurückzukehren und mir alles näher anzuschauen. Verlassene Orte haben mich schon immer fasziniert. Orte wie Haidemühl sind eng verbunden mit einem derzeit heiss diskutiertem Thema- dem Kohleausstieg im Jahre 2038 und dem damit verbundenen Wandel einer ganzen Region, dem Lausitzer Braunkohlerevier in Sachsen und Brandenburg.

Im Jahre 2019 war ich dann wieder einmal in der Gegend und hab mir die Reste des einstmaligen Dorfes näher angeschaut. Damals entstand diese Fotostrecke. Die Natur hat sich vieles schon zurückgeholt und dennoch blieb ein eigenartiges Gefühl, als ich zwischen den Trümmern menschlichen Wohnens und Arbeitens stand. Unwillkürlich hatte ich „Kopfkino“ und stellte mir vor, was hier los war, was diesen Ort ausgemacht hat, ausgemacht haben könnte. Und ich begann nach früheren Bildern zu recherchieren. Auf der Website der, umgesiedelten, Gemeinde Haidemühl fand ich dieses Bild:

In einer früheren Zeit

Quelle: https://www.haidemuehl.de/index.html?mitte=https://www.haidemuehl.de/luftbild.html

Ich weiss nicht genau, wann es enstanden ist. Und ich wollte wissen, wie es heute   aussieht. Gestern war es dann soweit…ein Fotoflug vom Flugplatz Kamenz nach Haidemühl. Ich habe versucht, genau diese Perspektive „einzufangen“. Hier das Resultat:

Und heute…

Die Natur erobert sich den Ort zurück, bevor er wohl endgültig in der Grube verschwindet.

Die folgende Fotostrecke zeigt, wie dicht der Braunkohletagebau Welzow Süd bereits herangekommen ist. – Zum Ansehen auf das Bild klicken….

Der Braunkohleabbau und der (geplante) Ausstieg daraus wird die Region wohl noch viele Jahre beschäftigen. Die einen verlieren ihre Heimat, die anderen bangen um ihre Arbeitsplätze, wieder andere machen sich berechtigte Sorgen um die Folgen für die Umwelt. Aus meiner Sicht besteht durchaus die Gefahr, daß hier eine ganze Region abkippt, mit gravierenden gesellschaftlichen Folgen.

Diese Sache darf man nicht den Populisten überlassen. Dabei kommt nichts Gutes raus

Wir treffen Annahmen, wie wir unser Leben sehen wollen

Die Kirche in Klotzsche… nein, nicht ein bestimmtes Bauwerk, sondern die Institution. Sie ist in Klotzsche doch sehr allgegenwärtig, selbst für mich.

Ich bin Atheist. Schon immer und aus Überzeugung. Na ja, zumindest seit ich erwachsen bin. Dennoch – Kirche und Glauben sind für mich keine „Nichtexistenzen“. Mich interessiert, worin Glaube besteht. Was bedeutet Religion in einer Zeit, in der alles kalkulierbar zu sein scheint, in der, wie Zeitgenossen behaupten oder befürchten, letztendlich Algorithmen unser Leben bestimmen?

Petra Schweizer-Strobel und ich sind mit Olaf Börnert, Jahrgang 73, verabredet. Er ist Pfarrer der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Dresden-Klotzsche. Und somit „vom Fach“. Wir sitzen in seinem Pfarramt und er ist bereit, sich ausfragen zu lassen. Von mir, einem „Heiden“.

Foto: Petra Schweizer-Strobel

Wer ist der Mann, der die Geschicke der evangelischen Gemeinde in Klotzsche lenkt? Wie denkt er über seinen Glauben, die Rolle „seiner“ Kirche?

Mein erster Eindruck: Hier sitzt mir kein Dogmatiker gegenüber. Sondern ein Mensch, der im Leben steht und auch seine Irrwege und Schwierigkeiten kennt.

„Die Entscheidung, als Christ zu leben, ist sehr persönlich!“. Dieser Satz ist prägend für das Gespräch. Er missioniert nicht, er erklärt. Dabei war sein Weg zum Pfarrer nicht vorherbestimmt. Olaf Börnert stammt aus Bernsdorf, einer Kleinstadt zwischen Kamenz und Hoyerswerda. Sicher, er engagierte sich bereits seit seiner Jugend in der Kirche, hatte einen ganz guten Draht zum Pfarrer in seiner Heimatgemeinde. Ob ihm der Glaube auch von seinen Eltern vermittelt wurde, möchte ich wissen.

Dazu Olaf Börnert: „Das ja, schon. Aber als Berufswunsch hatte ich die Theologie gar nicht im Blick. Ich habe zunächst Gärtner gelernt. Meine Eltern hatten eine Baumschule und ich war sozusagen der Kronprinz. Ich sollte das einmal übernehmen. Aber davor hat mich die Wende gerettet. Die kam für mich rechtzeitig. 1989 war ich sechzehn und plötzlich hat sich für mich nochmal alles geöffnet. Ich habe die Berufsausbildung beendet und konnte dann Abitur machen. Vorher wollte ich das gar nicht und wahrscheinlich hätte ich bei meiner familiären Vorprägung gar nicht zur EOS gehen dürfen. Ich habe es also nachgeholt und Gefallen daran gefunden, noch weiter zu machen. Irgendwann stand ich vor der Entscheidung, entweder Theologie oder Landschaftspflege zu studieren. Das eine habe ich gekriegt, das andere nicht – und so sind die Würfel gefallen.“

Manches im Leben ist also schlicht Zufall… Auch als Opposition zum Staat sah er sich nicht, war Mitglied in der FDJ, wobei er auf Ratschlag seiner Eltern darauf achtgab, sich nicht übermäßig zu exponieren. Dienst an der Waffe kam für ihn in der DDR nicht in Frage, er wäre Bausoldat geworden. Auf meine diesbezügliche Frage hin überlegt er kurz und antwortet dann: „Ich hätte den Wehrdienst aus christlich-pazifistischer Überzeugung verweigert.“

Es folgte ein Theologiestudium in Berlin und eine erste Pfarrstelle in der sächsischen Schweiz, in Liebstadt.

„Vierzehn Dörfer, sieben Kirchtürme.“ Ein Handlungsreisender in Sachen Religion, so sieht er diese Zeit heute. Dann nach zehn Jahren der Wechsel nach Klotzsche. Wir kommen zum Kern, zu den Fragen, die mich eigentlich interessieren. Was ist Gott?

„Gott? Ich würde sagen, es ist eine Kraft, die mich im Inneren motiviert, die mich im Inneren prägt, und die mich manchmal in meinem Handeln, meinem Denken, meinem Fühlen bestimmt. Aber es ist nichts, was gegenständlich wird. Für mich ist es manchmal so ähnlich wie mit der Liebe zwischen Menschen. Ich gehe davon aus, dass meine Frau mich liebt, ich lebe so, als ob das so ist, nehme es an, mache meine Erfahrungen damit. Aber die Liebe ein für alle Mal sichtbar machen, sie beweisen, kann ich nicht, sondern ich kann nur darauf vertrauen: Es wird schon so sein, dass sie mich liebt. Dann mache ich meine Erfahrungen mit ihr. Und so sehe ich das auch mit dem Glauben. Und darum heißt es ja auch „Glauben“ und nicht „Wissen“, nicht „Sehen“ oder „dingfest machen“. Ich lebe mit der Hypothese „Gott“ und mache meine Erfahrungen.“ Kein schlechter Vergleich, denke ich. Und welche Rolle spielt die christliche Kirche im realen Leben. Was bestimmt sie, wie beeinflusst sie uns?

Christlicher Glaube habe eine kolossal lebensdienliche Ethik zu bieten, so Olaf Börnert. Er erwähnt den Gewaltverzicht, den Gedanken, dass man selbst nicht immer das Maß aller Dinge ist, sondern eben auch die anderen, mit denen wir zusammenleben. Aber auch: „Diese Sichtweise wird wahrscheinlich nicht von allen geteilt.“ Es gibt da wohl verschiedene Anspruchshaltungen.

Die einen sagen: „Wir müssen über alles die Kontrolle behalten“, die anderen: „Wir müssen alles nur begleiten, den Menschen, die das wünschen, eine Heimat geben.“

Unser Gegenüber meint dazu: „Ja, das sind die beiden Pole, zwischen denen sich das bewegt. Ich persönlich denke, die Entscheidung, als Christ zu leben, ist sehr persönlich. Die Existenzberechtigung der Kirche hängt nicht davon ab, ob wir gesellschaftlichen oder politischen Einfluss haben, ob wir jetzt die Mehrheit hinter uns wissen oder ob wir viele Mitglieder haben. Das ist eigentlich nicht das Anliegen der Kirche. Das Anliegen der Kirche ist das, was uns in der Bibel überliefert worden ist, was wir glauben, was uns wichtig ist, weiterzugeben. Was dann der Einzelne draus macht, entscheidet jeder für sich.“

Er ist sich sicher: „Wir Christen sind Teil der Welt mit ihren Zweideutigkeiten und Unentschiedenheiten!“

Das ist der Blick aufs Große und Ganze. Aber im Kleinen, im Gemeindefokus? Wie sieht er seine Gemeinde?

Vielleicht sei die Kirche in Klotzsche etwas zu selbstgenügsam, sinniert er. Man sei stolz auf das, was man hat und was man ist. Wenn er mit Neuzugezogenen ins Gespräch kommt, bei Taufen etwa, hört er immer wieder Bedauern, dass man als Außenstehender kein Fuß in die Tür bekäme.

„Die, die da sind, sind da, das ist gut, aber man hat jetzt nicht so das Bedürfnis, dass noch andere dazukommen könnten. Man könnte auch mal nach außen und auf andere zugehen. Aber ich habe das Gefühl, seit die Kirchgemeinde während der Ereignisse auf der Karl-Marx-Straße und den Auseinandersetzungen dort etwas mehr in die Öffentlichkeit getreten ist, ändert sich das ein wenig.“

Und das neue Gemeindezentrum, die „Alte Post“? Da wünscht sich Olaf Börnert, dass sie ein kultureller Satellit in Klotzsche werden möge. Eine Begegnungsstätte, die ausdrücklich auch Nichtmitgliedern offensteht. Es ist auch sein Wunsch, dass es mehr Vernetzungen und Kontakte in den Ort hinein gibt.

„Wer kommt, ist herzlich eingeladen, und wer nicht kommt… schade drum.“

Das gesamte Interview können Sie hier lesen.

Er bringt uns sicher nach Haus

Gerhard Gundermann, wohl einer der wichtigsten Liedermacher im Osten Deutschlands, starb bereits 1998 mit nur dreiundvierzig Jahren. Seine Texte über das Leben sind aktuell und lebendig wie eh und je.  Die Band Huderich brachte sie am 10.06. in die Alte Kirche nach Klotzsche.

schlaf kleine frau mach die beine lang
der mond leckt uns die strasse blank
der teufel macht heut krank
und bleibt im schrank

ein alter mann vom strassendienst
winkt uns nach und grinst
er hat schlecht bezahlt
`n weißen strich über land gemalt

der bringt uns sicher nach haus

schlaf kleine frau mach die augen zu
der silberkäfer braucht keine ruh\‘
er nimmt uns gerne mit
für\’n bisschen sprit

tausend mann haben dran gebaut
ein dieb hat ihn für uns geklaut
es ist warm und laut
unter seiner eisenhaut

der bringt uns sicher nach haus

schlaf kleine frau das land ist leer
nur du und ich und sonst keiner mehr
der mond scheint hell wie nie
mit seiner neuen batterie

der bringt uns sicher nach haus

Ich bin in Hoyerswerda aufgewachsen, genau in dieser „Maschinistenfarm“, umgeben von Tagebauen, die Gerhard Gundermann in seinen Liedern besungen hat. Er und seine Band „Brigade Feuerstein“ waren eine bekannte Größe in Hoyerswerda. Seine Texte waren kontrovers, regten zum Widerspruch an… und manchmal regten sie mich einfach nur auf. Aber sie gehörten dazu.

Und dann Huderich in der Alten Kirche in Klotzsche…. Trotz Sonnabendabend und schönstem Grillwetter war der Raum gut gefüllt. Mit allen Jahrgängen. Und manche Ältere hatten wohl manchmal einen verdächtig schimmernden Blick. Die Band brachte die ganze Bandbreite der Gundermann-Texte: melancholisch, widersprüchlich, ironisch, hin und wieder etwas derb. Und hochaktuell. Es war nicht so einfach nachgespielt. Ich hatte das Gefühl, Gundermann lebt in Huderich weiter. Sicher ist mein Eindruck da sehr subjektiv gefärbt. Dennoch.

Manches war ein Déjà-vu für mich. Erinnerungen an Kindheit und Jugend in der Betonstadt kamen wieder. Schöne und weniger gewollte. Songs über das Leben….

Ein gelungener Abend mit einer Band, die ich in Klotzsche sehr gern einmal wieder sehen und hören möchte.

Der Bus kommt

 

Bus Stop

Ich fand schon immer, dass der Neumarkt in Dresden mit öffentlichen Verkehrsmitteln  etwas schlecht zu erreichen ist. Nun ist es endlich soweit: Busse vor der Frauenkirche. Gut, das Einsteigen ist derzeit noch etwas unbequem. Aber es ist ein Anfang, finde ich.

Und dennoch gibt es wieder Leute, denen man es einfach nicht Recht machen kann.

Im Ernst: Man kann, man muss über Kunst streiten. Und das Busmonument von Manaf Halbouni spaltet die Gemüter und regt zu Diskussionen an. Gut so! Die Reaktionen bei der Eröffnung auf dem Dresdner Neumarkt  hatten allerdings nichts mit Kunstdiskussionenen zu tun. Da wurde -unter anderem- gepöbelt und gegeifert, was das Zeug hält.

Die Busse sind für mich in aller erster Linie ein Mahnmal gegen den Krieg.

Jedweden Krieg.

Vom Sinn des Ganzen

Die Vereinnahmung  und Instrumentalisierung der Opfer des Bombenangriffes auf Dresden durch einige wenige – von rechts und links – ist entweder hirnrissig oder zynisch. Wie kleingeistig oder wie empathielos muss jemand sein, der gegen ein Mahnmal gegen den Krieg auf eine derartige Weise  (wie auf dem Neumarkt geschehen) „demonstriert“? Man kann über Politik geteilter Meinung sein und da wir zum Glück in einer Demokratie leben, dürfen Meinungen auch  geäussert werden, selbst wenn es einige Mitbürger, die sich in einer Opferrolle durchaus wohlzufühlen scheinen, anders sehen.

Doch die Art und Weise, wie man sich artikuliert, sagt vor allem etwas über einen selbst aus. Und man muss sich dann schon fragen lassen, wessen Geistes Kind man ist. Pöbeln hat keine Schnittmenge mit Diskussionskultur.

Und jetzt darf man mir auch gern intellektuelle Überheblichkeit vorwerfen. Es ändert nichts an meiner Sichtweise.

Achte auf Deinen Schal

„Wenn ich meinen Schal um den Hals trage, interessiert es keinen Menschen. Wickle ich ihn um den Kopf, weil mich der Wind stört, kriege ich rassistische Sprüche!“  Susanna Berivan schüttelt verständnislos den Kopf. Sachsen im Jahre 2017.

Bei der Probe                                                                                                Foto: Peter Holz

Sie steht in Peters und Yvonnes  Küche. Eine Berlinerin, die derzeit in Leipzig lebt und kurdische Wurzeln hat. Zumindest ihr „Vadda“, wie sie uns mit einem leicht berlinernden Zungenschlag mitteilte. Es ist nach dem Konzert, der Ersten Blasewitzer Teppichparty. Peter wollte zunächst nur einige chinesische Lampen mit einem eigenwilligen Design loswerden. Susanna fand sie wohl irgendwie cool. Peter wurde seine herrlichen asiatischen Beleuchtungsvorrichtungen los. Und dachte, dass sie bei der Gelegenheit ruhig etwas singen könne.  So saßen wir (so an die dreißig Leutchen) dann ziemlich dicht gedrängt in besagtem Wohnzimmer, fanden ihre Musik klasse und gingen der Frage nach, ob man als Künstler seine Beziehungen sabotieren sollte, um kreativ zu sein. Es hält sich anscheinend hartnäckig das Gerücht, das glückliche Künstler eben nicht kreativ seien… Stoff zum Nachdenken, finde ich.

Ein herrlicher Abend mit guter Stimmung und wunderbarer Musik. Und ernsten und unernsten Gesprächen hinterher und mittendrin.

Danke an Yvonne und Peter für diesen Abend.

Und hier nochmal zum Reinhören

Hier der Link zu Peters Blog.

Es gibt Dinge, die sind ganz klar nicht verhandelbar

14.September 2016. Ein Büro in der Dresdner Neustadt mit einer großen Fensterfront zu ebener Erde. Wir (Petra Schweizer-Strobel und ich) sind mit Katja Kipping von Der Partei „Die Linke“ verabredet. Es ist ein warmer Herbsttag, die Neustadt zeigt sich zur Mittagszeit geschäftig. Wir wollen wissen, wie Katja Kipping die derzeitige Situation in Deutschland sieht, was sich aus ihrer Sicht ändern sollte.

 Interview Katja Kipping

 

MD: Wir haben ja derzeit eine etwas ungewohnte Situation in Sachsen, in Deutschland, ausgelöst durch die Flüchtlingsfrage, gekennzeichnet durch eine unvorstellbare Dynamik, manchmal sogar Hektik. Haben wir zurzeit in Deutschland eine politische Krise?

Krisen sind vor allem Ergebnis unserer Wirtschaftsordnung. Der Kapitalismus trägt die Krisen in sich, wie die Wolke den Regen. Ich würde nicht sagen, dass es eine Flüchtlingskrise gibt. Es gibt Fluchtbewegungen, es gibt eine Bewegung der Solidarität mit Geflüchteten, aber den Begriff Flüchtlingskrise finde ich falsch. Es ist uns, die wir in den westlichen Ländern leben, eher eine Aufgabe.

MD: Meine Frage zielt noch in eine andere Richtung. Ich sprach bewusst nicht von einer Flüchtlingskrise, sondern von einer politischen Krise. Der rechte Rand fühlt sich gestärkt, gerade mit der AfD, die gerade Potential von anderen Rechtsparteien absaugt. Eine Unzufriedenheit mit dem politischen System tritt mit einem Mal zu Tage, die sich in Trotz, Wut und Verweigerung ausdrückt. Es ist für mich Ausdruck einer Krise, dass das Vertrauen vieler Bürger in das politische System, in die Politiker und in die Medien erschüttert ist.

Empörung über Politik finde ich in vielen Fällen mehr als berechtigt. Die herrschende Politik krankt daran, dass sie wirklich bestehende soziale Probleme nicht ordentlich löst, in Angriff nimmt, selbst dort, wo es Lösungen gäbe. Dazu müsste man aber bereit sein, sich mit den Mächtigen, mit Miethaien, mit reichen Erben anzulegen. Dazu ist aber diese Bundesregierung nicht in der Lage.

MD: Warum?

Sie ist auch nicht willens. Sie möchte sich nicht mit den Mächtigen, mit den Superreichen anlegen. Teilweise womöglich aus tiefer innerer Überzeugung, zum anderen, weil das wahrscheinlich zu unbequem wäre. Diese mehr als berechtigte Empörung und Wut wird kanalisiert in Aversionen und Hass gegen Schwächere, gegen geflüchtete Menschen, die teilweise selber alles verloren haben. Dieses Treten nach unten wird nicht dazu führen, dass auch nur eines der sozialen Probleme, die die Leute umtreiben, gelöst oder in Angriff genommen wird. Im Gegenteil, es ist ein hervorragendes Ablenkungsmanöver. Ich habe öffentliche Sprechstunden in Dresden und immer wieder nennen mir die Menschen ihre Probleme, seien es wachsende Mieten, sei es, dass man zunehmend mehr Zuzahlungen leisten muss, bei Brillen, bei Medikamenten. Das wird dann oft verbunden mit: „Und dann gibt es noch Geld für die Flüchtlinge!“ Worauf ich sage: „Stellen Sie sich doch mal vor, selbst, wenn wir keinen einzigen Flüchtling mehr reinlassen würden und dadurch angeblich Geld einsparen, warum glauben Sie, dass auf einmal die Zuzahlungspflicht gestrichen würde? Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass die eingesparten Gelder nicht für weitere Steuergeschenke für Reiche verwendet werden?“

Krisen sind vor allem Ergebnis unserer Wirtschaftsordnung

Krisen sind vor allem Ergebnis unserer Wirtschaftsordnung

MD: Sie sagten, das Ventil seien oft Schwächere, Menschen, die auf der sozialen Leiter tiefer stehen bis hinunter zu Flüchtlingen, denen ja augenscheinlich gar keine Rechte zugestanden würden. Wo sehen Sie aber den Zusammenhang zu den verbalen und teilweise physischen Attacken auf Politiker, die ja nicht zu den Schwächeren gehören? Slogans wie „Merkel muss weg!“ sind ja nur die Spitze des Eisberges.

Es gibt viele gute Gründe, die Regierung Seehofer/Merkel/Gabriel auf das heftigste anzugreifen. Sie ist nicht in der Lage, die Mietexplosion zu stoppen, um nur ein Beispiel zu nennen. Die Regierung macht Politik im Interesse von Miethaien und nicht im Interesse der Mieter. Aber sie wird angegriffen mit dem Vorwurf: „Ihr seid uns nicht rassistisch genug, nicht aggressiv genug gegen Geflüchtete!“ Dabei hat diese Regierung schon nach und nach das Asylrecht ausgehöhlt. Das ist ein ganz komisches Stinkefinger-nach-oben-Zeigen aber gleichzeitig ein Treten nach unten. Die Wahlerfolge der AfD gehen einher mit einer Verrohung der Sprache, nicht nur im Internet, wo Menschen als Viehzeug bezeichnet werden, und einer Zunahme der- auch spontanen- Gewalt gegenüber Geflüchteten und Leuten, die nicht deutsch aussehen. Die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte haben sich im Laufe eines Jahres verdreifacht.

MD: Die Flüchtlingszahlen scheinen zurück zu gehen. Dennoch spitzt sich die politische Situation zu. Wenn man auf die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern schaut oder jetzt nach Berlin, entwickelt sich eine Eigendynamik, die uns scheinbar nicht mehr zur Ausgangslage zurückkehren lässt.

In der Tat, es gibt eine Eigendynamik und das kommt einigen Leuten ganz gelegen. Alle Welt regt sich gerade über Burkas auf. Ich bin auch kein Fan dieses Kleidungsstücks. Aber in Deutschland gibt es, wenn es hochkommt, circa dreihundert Burkaträgerinnen. Und über dieses Thema, von dem ungefähr dreihundert Frauen betroffen sind, wird geredet. Aber nicht mit den Frauen, sondern immer nur über diese Frauen. Aber die Altersarmut, von der zukünftig wahrscheinlich mehrere Millionen Frauen betroffen sein werden, rückt in der Bedeutung nach unten. Das ist für Schäuble, der seine schwarze Null über alles anhimmelt, total bequem. Wenn er die Burka verbietet, kostet ihn das nichts. Wenn er etwas gegen Kinderarmut oder Altersarmut machen wollte, müsste er bereit sein, Geld in die Hand zu nehmen. Und deswegen würde ich sagen, all dieses Debattieren, dieses Sich- Aufziehen an Nebensächlichkeiten wie einem Burkaverbot, führt dazu, dass es Schäuble sich weiter sehr einfach machen kann, wenn er Hilfeleistung bei der Armutsbekämpfung verweigert.

MD: Warum, glauben Sie, dass man die, nach Ihren Worten, „wahren Ursachen“ der gegenwärtigen Krise nicht sieht? Warum sind die Blicke nur auf die Flüchtlinge gerichtet?

Das, was Sie Krise nennen, ist einfach nur eine Verschärfung, eine Brutalisierung des gesellschaftlichen Klimas. Warum das so ist? Wir sind auf der Suche nach Erklärungen. Ich würde sagen, es gab in der Gesellschaft immer latent rassistische Positionen. Die waren in den Alltagsgesprächen nur nicht dominant. Jetzt sind sie dominant geworden, ein Thema, was alles überlagert. Der Flüchtling ist der Platzhalter für alle möglichen Unzufriedenheiten, die die Menschen haben, bis hin zur Unzufriedenheit über das eigene Familienleben. Sie münden dann im Frust auf Geflüchtete. Das ist eine Stimmung, die PEGIDA, AfD und Co angeheizt haben, die aber von Regierenden, vor allem von der bayrischen CSU aufgegriffen wurde, indem sie immer wieder diese Problembeschreibungen übernommen haben. Das „Wir“- Bedürfnis nach einem Kollektiv wurde nicht mehr gefüllt von Klassendimensionen, wurde auch nicht mehr gefüllt von sozialen Dimensionen. Wir unten gegen die oben. Es wurde national gefüllt. Wir Deutschen gegen die anderen, die Fremden. Das ist eine sehr einfache Konstruktion des „Wir“, aber offensichtlich gibt es so ein Bedürfnis danach, sich einer Gemeinschaft zuzuordnen und dies auch in einem Konflikt zu einer anderen zu sehen.

Der Flüchtling ist der Platzhalter für alle möglichen Unzufriedenheiten.

Der Flüchtling ist der Platzhalter für alle möglichen Unzufriedenheiten.

MD: Welche Rolle spielt Angst aus Ihrer Sicht? Angst vor Abstieg, Angst vor sozialen Verlusten?

Angst vor Armut und Erwerbslosigkeit sind keine Entschuldigung dafür, zum Rassisten zu werden. Gesellschaften, in denen Abstiegsängste und Existenzängste ganz stark sind, sind am Ende anfällig für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Rassismus ist eine sehr aggressive Form davon.

MD: Es gibt in Deutschland ja auch kulturelle Identitäten, die je nach Landstrich sehr verschieden sind. Im Norden anders als im Süden, im Osten anders als im Westen.  Ist es nicht zum Teil berechtigt, dass Leute Angst haben, dass durch massiven Zuzug von Menschen mit anderer Kultur, anderem Hintergrund, sich ihre Identität ändert?

Ich habe festgestellt, dass es nicht DIE eine homogene deutsche Kultur gibt. Ganz im Gegenteil. Ich würde mal sagen, wenn man in ein bayrisches Bierzelt geht und in eine türkische Teestube, dann wird man feststellen, dass sich diese Männer untereinander kulturell deutlich näher sind.

MD: Die Frauen nicht?

Die Teestuben und das Bierzelt sind doch kulturell eher männlich dominiert. Das ist ja auch ein Teil der deutschen Kultur, der Biertisch. Da dürfen Frauen zwar sitzen, aber Gestus und Sprechverhalten sind doch eher männlich geprägt. Ich würde sagen, die Männer, die in der Türkei oder in Syrien in den Teestuben oder in Bayern im Bierzelt sitzen, sind sich einander kulturell wahrscheinlich viel näher, als den Männern und Frauen, die hier beispielsweise zum Fusion Festival fahren, auch ein großes kulturelles Ereignis. Wenn man sich die Geschichte von deutscher Kultur und deutschen Kunstwerken anschaut, sieht man, dass die Idee, dass sich das in einem abgegrenzten Raum entwickelt hat, eine große Illusion ist. Seit Menschengedenken gibt es permanente Migration und Austausch. Eines der großen Werke, auf das sich alle gern berufen, Nathan der Weise von Lessing, lebt ja gerade vom Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen und Glaubensrichtungen, die letztendlich miteinander verwandt sind. Wenn man an Werke der deutschen Kultur, zum Beispiel an Werke der Aufklärung, anknüpfen will, sieht man, dass diese ein Plädoyer für Weltoffenheit sind.

MD: Das wird eben nicht immer so gesehen. Sind es vielleicht auch Nachwehen der politischen Änderungen 1989/90? Wir haben erlebt, dass über Nacht alles anders war. Damit waren die Leute plötzlich konfrontiert. Nach den etwas wilden Neunzigern schien sich um 2000 herum alles wieder etwas zu stabilisieren, zu normalisieren. Und jetzt die Angst, gerade hier im Osten, dass jetzt wieder alles anders wird. Jetzt kommen zwar nicht die „Wessis“ aber andere Fremde. Und wieder muss geteilt werden und wieder wird alles in Frage gestellt. Und wieder wird von niemand von der Politik gefragt, ob dies alles zu schaffen sei. Kritiker werden- so die oftmals geäußerte Meinung- in die rechte Ecke gestellt, gerade von der Presse. Und so ganz kann man das ja auch nicht abstreiten.

Die Leute, die sagen, man müsse es ja mal aussprechen dürfen, wie Thilo Sarrazin, haben richtig viel Geld mit dem Verkauf ihrer Bücher verdient, ohne dass ihnen da jemand in die Quere gekommen wäre. Sie durften ihre Vorurteile verbreiten. Ein Merkmal für Rassismus ist es, dass man Menschen auf Grund ihrer Herkunft Merkmale zuschreibt. Ich finde, man kann Menschen für Entscheidungen, die sie in ihrem Leben treffen, kritisieren, als Einzelpersonen. Aber man kann nie Menschen, nur, weil sie einer Herkunftsgruppe angehören, irgendetwas unterstellen. Ich finde, weniger die Frage nach den Werten ist die entscheidende, sondern die Frage, welche demokratische Praxis wir haben. Es gibt Dinge, die ganz klar nicht verhandelbar sind, nämlich, dass es bei uns eine demokratische Praxis geben muss. Oder müsste, ist ja leider nicht immer so. Und dass alle Menschen gleich viel wert sind, unabhängig von Geschlecht und Herkunft. Den Artikel 3 (des Grundgesetzes MD) in seiner Gänze muss man verteidigen. Wahrscheinlich gegen islamistische Fundamentalisten genauso, wie gegen rassistische Menschenfeinde. Die Gleichheit der Menschen, unabhängig von Geschlecht und Herkunft, ist eine große Errungenschaft unserer Gesellschaft und die gilt es zu verteidigen. Die wird gerade angegriffen, und zwar von islamistischen Extremisten und von rechtsextremen Organisationen.

Wenn man sich auf deutsche Kultur beruft, muss man sich beim Wort nehmen lassen.

Wenn man sich auf deutsche Kultur beruft, muss man sich beim Wort nehmen lassen.

MD: Aber offenbar erreicht diese Argumentation große Menschengruppen nicht mehr. Es gibt Menschen, die sich völlig verschließen. Menschen, die mit Nathan dem Weisen nichts anfangen können oder wollen. Diese Menschen sind auch wahlberechtigt.

Man muss ja die Leute auch bei ihren eigenen Argumenten nehmen. PEGIDA und AfD haben formal an die deutsche Aufklärung appelliert und dass es darum geht, deutsche Kulturwerte zu verteidigen. Wenn man sich auf deutsche Kultur beruft, muss man sich beim Wort nehmen lassen. Wen Kultur nicht interessiert, sollte nicht sagen, dass er sie verteidigen will. Was machen wir als Linke, als Partei? Parteien, die rassistische Deutungsmuster übernehmen, gibt es schon genügend. Da würden wir uns komplett überflüssig machen. Alle Welt redet immer über PEGIDA. Über die Menschen, die sich jeden Tag mit viel Einsatz engagieren, über die wird kaum noch gesprochen. Ich will nicht nur wissen, was PEGIDA umtreibt. Ich will wissen, was die Leute bewegt, die sich da engagieren, die ganz konkrete Erfahrungen haben. Wie kann die Politik denen bei ihrem wichtigen Engagement helfen? Die leisten wirkliche Beiträge zur Integration. Integration beginnt damit, dass man Menschen eine Wohnung beschafft, Zugang zu Sprachkursen beschafft, beim täglichen Austausch unterstützt. Davon können alle profitieren. Diejenigen, die schon länger hier leben als auch die neu Angekommenen. Deswegen möchte ich mehr darüber reden, was die Helfer an Unterstützung brauchen. Das ist ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Deshalb unterstütze ich „Welcome2stay“, das ist eine Vernetzung von verschiedenen Initiativen. Ich finde, die müssen auch wieder viel sichtbarer und hörbarer werden. Das Lager der Solidarität gilt es zu stärken, auch indem man eine klare Haltung beweist. Das Zweite, was wir machen, wir starten jetzt, lange geplant, eine Gesprächsoffensive in sozialen Brennpunkten. Dazu gehören einerseits öffentliche Sprechstunden. Man kann mit uns über alles reden, niemand wird beschimpft, aber wir reden niemandem nach dem Mund. Wer zu mir kommt und meint, das Hauptproblem wären Flüchtlinge, mit dem diskutiere ich, aber ich werde ihm nicht nach dem Mund reden, um Wählerstimmen zu bekommen. Damit würde ich mich selbst überflüssig machen. Zu unserer Gesprächsoffensive gehört auch, dass wir beispielsweise Hausbesuche bei Leuten machen, die in ärmeren Vierteln leben, bevor wir als Linke unser Wahlprogramm aufschreiben. Wir wollen herausfinden, wo ihnen der Schuh drückt. Welche Probleme nach ihrer Meinung bundesweit gelöst werden müssten.

MD: Gibt es da Feedback?

Gestern hatte ich ja den ganzen Tag diese offenen Sprechstunden und das war superinteressant. Und was man merkt, wenn man mit den Leuten eine Weile geredet hat: Der Ärger über Flüchtlinge ist nur die Oberfläche. Es gibt natürlich auch tiefüberzeugte Rassisten. Denen muss man sagen: Wenn Du einen Hass auf andere Menschen hast und meinst, Dein Selbstwertgefühl könnte gesteigert werden, wenn Du Dich drüber aufregst, dass Menschen vor Gesundheit strotzen… Ich kann nicht andere Menschen mit anderer Hautfarbe kränker machen, nur damit Du Dich gesünder fühlst. Das wird nicht meine Aufgabe sein. Aber bei vielen kommt darunter total viel berechtigter Ärger zum Vorschein, sei es die Rentenregelung für in der DDR Geschiedene, die Zuzahlungen, ganz viele andere Dinge. Da würde ich sagen, das große Versagen von Angela Merkel besteht darin, dass sie auf den Satz: „Wir schaffen das!“ nicht wirklich Maßnahmen hat folgen lassen.

MD: Wie es zu schaffen ist…

Ja. Wer also meint, wir schaffen das, muss richtig viel Geld in die Hand nehmen, um zum Beispiel bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wer sagt, wir schaffen das, muss Geld in die Hand nehmen, damit deutlich mehr Lehrer eingestellt werden, damit dort, wo Flüchtlingskinder dazukommen, die Arbeit trotzdem gemacht werden kann. Es darf nicht zu Lasten der Kinder geht, die schon in der Klasse sind.

PSSt: Worauf führen sie die zu beobachtende allgemeine Verrohung zurück? Was ist schiefgelaufen in der historischen, in der politischen Bildung der Leute? Als die Demonstrationen in Klotzsche, die Ressentiments gegen die Wohnheime begannen, hatten wir eine Lesung organisiert, „Krieg. Stell Dir vor, er wäre hier“ von Janne Teller. Wir haben versucht, die Leute bei den Demonstrationen einzuladen. Es gab da eine alte Frau, der wollten wir die Einladung in die Hand drücken, und sie fuhr mich an, sie sei 1945 auch in Holzpantoffeln aus Ostpreußen gekommen und ihr habe auch keiner geholfen. Was geht in den Leuten vor? Warum hat man nicht gerade auf Grund dieser eigenen Erlebnisse noch mehr Mitgefühl, sondern reagiert so?

Ich hatte auch mehrere solcher Begegnungen. Gerade Frauen, denen im Leben ganz übel mitgespielt wurde, hatten den Wunsch, dass anderen schlecht gehen möge, nur, weil es ihnen selbst nicht gut ging. Denen sage ich: „Ich kämpfe voller Leidenschaft dafür, dass Ihre Rente höher wird, aber ich kämpfe nicht dafür, dass andere eine schlechtere Rente als Sie haben, denn dadurch geht es Ihnen nicht besser!“

PSSt: Woher kommt diese Empathielosigkeit?

Für diesen akuten Mangel an Empathie, an Mitmenschlichkeit, gibt es nicht wirklich eine Entschuldigung. Jedoch trägt der Neoliberalismus dazu bei, dass wir eine Gesellschaft haben, in der jeder Einzelne auf Ellbogeneinsatz, auf Konkurrenz getrimmt ist, wo Wettbewerb das Dominierende ist, wo den Leuten eingebläut wird, dass sie ihres Glückes eigener Schmied seien. Systemische Ursachen für persönliches Scheitern werden immer aus den politischen Debatten ausgeblendet. Ich habe bei jeder Debatte zu Hartz IV beispielsweise gesagt, Hartz IV ist in Gesetz geronnene Überzeugung, dass der Einzelne schuld ist an seiner Erwerbslosigkeit. Ich finde, zur Wahrheit gehört auch, dass es etwas mit dieser Wirtschaftsweise zu tun hat. Das darf man nicht verschweigen. Die Leute werden doppelt bestraft, nicht nur durch Armut und Arbeitslosigkeit. Sie müssen sich auch noch schlecht fühlen dabei. Das unterstützt natürlich Empathielosigkeit. Wie man in den Wald hineinruft… Wer in seinem Leben ganz oft bösartige Reaktionen und Kälte erlebt hat, der neigt eben auch dazu, mit Kälte und Mangel an Empathie zu reagieren.

PSSt: Aber woher dann dieses Ost-West- Gefälle? Der Westen hat ja diese Gesellschaftsordnung schon sehr viel länger aber da ist es nicht so ausgeprägt wie hier.

In den Regionen, wo es höheren Zulauf zur AfD gibt, gibt es ja auch deutlich höhere Armutsrisikozahlen oder auch höhere Erwerbslosigkeitszahlen.  Auch denjenigen, die nicht arbeitslos sind, wird häufiger im Umfeld durch eigene Verwandte und Bekannte vor Augen geführt: Es könnte auch Dir passieren, dass Du ins Bodenlose fällst. Dieses Damoklesschwert ist im Osten präsenter als in vielen Regionen im Westen. Nicht nur im Osten, im Ruhrgebiet gibt es ähnliche Probleme. Wer, wie Sie vorhin erwähnten, zur Wende die Deutung über sein Leben komplett von außen aufgestülpt bekam, ist wahrscheinlich auch besonders anfällig. Es ist mir zu blöd zu sagen, es liegt an der DDR. Obwohl ja die DDR nicht in allen Punkten weltoffen war…

MD: In welchen Punkten war sie weltoffen?

(Lacht) Man kann nicht sagen, es liegt am Staatssozialismus. Es gab ja schon so eine Art Solidarität als Leitbild aber in die Wohnheime (der Ausländer) durften die Deutschen dann doch nicht hinein. Aber der jetzige Rassismus hat etwas damit zu tun, was in der Wendezeit und in der direkten Nachwendzeit erfahren wurde, auch Erfahrungen von Demütigung. Und dass es in Osteuropa so stark ist, hängt damit zusammen, dass diese Gesellschaften nicht wehrhaft waren gegenüber den Vorstößen des Neoliberalismus. Die hatten keine starken Sozialverbände, keine kämpferischen Gewerkschaften. Das ist in Ostdeutschland nochmal ein bisschen dadurch abgefedert worden, dass die westlichen Gewerkschaften ausgeweitet wurden. Im Staatssozialismus war die Gewerkschaft etwas, was einen Ferienplatz organisiert hat, nicht das Kampforgan, um sich mit dem Konzern anzulegen. Dinge wie Privatisierung, Leistungsdruck, Wettbewerb sind viel unabgefederter auf die Gesellschaft geprallt.  Obwohl Neoliberalismus an sich nicht rassistisch ist. Er kommt ja eher so weltoffen daher. Beim Neoliberalismus darf man schwul sein, darf man eine andere Haarfarbe haben, darf man aus einem anderen Land hierherkommen, das ist alles nicht das Problem. Nur Leistung und Ellenbogen gelten. Und so eine Gesellschaft bereitet dem Rassismus den Boden.

MD: Wobei Rassismus in den östlichen Gesellschaften schon immer präsent war. Gerade in Russland und Polen gab es schon immer einen starken Nationalismus, einen starken Rassismus. Unter den Sowjetvölkern gab es jede Menge Ressentiments.

PSSt: In der DDR wurden ja bekanntlich Flüchtlingsschicksale nicht so sehr thematisiert. Inwieweit können nichtaufgearbeitete Familienschicksale von Vertriebenen aus Ostpreußen eine Rolle dabei spielen, dass sich gerade die ältere Generation zu PEGIDA hingezogen fühlt.

Das kann sein, das weiß ich nicht. Da würde ich jetzt anfangen, den Hobbypsychologen zu spielen. Viele Millionen Vertriebene mussten im Nachkriegsdeutschland eine neue Heimat finden, in einer Situation, wo der Wohnungsmangel nochmal akuter war, weil die Städte zerbombt waren. Das musste halt auch geschafft werden. Und damals war ja auch die wirtschaftliche Situation anders. Jetzt haben wir ja in manchen ländlichen Gebieten die Situation, dass man für jeden jüngeren Menschen, der da ist, dankbar sein müsste. Seit zwei Jahrzehnten höre ich große Klagelieder, gerade im Osten, im ländlichen Raum, wie schlimm es ist, dass die Jungen abwandern. Jetzt kommen junge Leute hin und das findet man auch schlimm.

MD: Wir hatten ja eingangs von einer politischen Krise gesprochen. Wenn ich Ihre Worte weiterführe, dass die Politiker und die Bundesregierung nicht fähig und teilweise nicht willens sind, die Probleme anzugehen und zu lösen- wegen Interessenverquickung, wegen gleichen politischen Ansichten- dann stellt sich die Frage, wie man das System ändern müsste, um zu einer Lösung zu kommen. Es gibt ja durchaus Strömungen in Ihrer Partei, die das Wirtschaftssystem und das daran gekoppelte politische System abschaffen wollen. Wie könnte eine Alternative aus linker Sicht aussehen?

Also, ich bin sehr überzeugt von dem, was Rosa Luxemburg mal aufgeschrieben hat, bezüglich des Zusammenspiels von Nahzielen und Fernzielen.  Jeder Aufbruch in eine bessere Gesellschaft muss mit ganz konkreten kleineren Verbesserungen beginnen. Man kann nicht sagen, dass man durch ein Tal der Tränen muss, damit es uns irgendwann mal besser geht. Der Weg dahin muss demokratisch sein, es ist klar, dass man bereit sein muss, sich auch mit Mächtigen anzulegen. Ein erster Schritt wäre eine Gesellschaft, die das Öffentliche stärkt. Eine Gesellschaft, die andere Formen von Eigentum, seien es Genossenschaften, Kooperativen, Rekommunalisierung, in jedem Falle stärkt. Gar nicht mal, weil das gleich die internationalen Finanzmärkte außer Kraft setzt, sondern weil dort Menschen erleben, dass es andere Formen von Arbeiten und Produzieren gibt, als dort, wo immer nur knallharter Profit und Ausbeutung dominieren. Zum Zweiten eine Gesellschaft, wo der Einzelne, zum Beispiel durch ein bedingungsloses Grundeinkommen, frei von Existenzangst ist und zwar garantiert.

MD: Befürworten Sie ein bedingungsloses Grundeinkommen?

Ich gehöre zu den glühenden Verfechterinnen und auch zu den Vorreitern des Kampes hierfür. Innerhalb der Linken wird es kontrovers diskutiert, aber es ist eine legitime Position, wobei bei uns nicht entschieden ist, wie die Mehrheitsverhältnisse sind. Das Grundeinkommen in Verbindung mit einer Gesellschaft, wo es wirklich Zeitwohlstand gibt, wo es nicht mehr gilt: schaffe, schaffe, schaffe, maloche, maloche, maloche… Die Erwerbsarbeit, die wir haben, wird gerechter umverteilt auf alle. Das heißt aber auch, dass einige Menschen weniger arbeiten. Zusammengefasst: Anderes Wirtschaften- andere Eigentumsverhältnisse. Diese Schritte sind noch keine Garantie zur Überwindung des Kapitalismus. Aber es wären Möglichkeiten, die den Kampf um eine andere Gesellschaft deutlich verbessern. Ich rate nur jedem, demjenigen zu misstrauen, der meint, er hätte den fertigen Masterplan, den Kapitalismus abzuschaffen, am Reißbrett entwickelt. Der Weg dahin entsteht beim Gehen.

MD: Aber Sie sind der Meinung, der Kapitalismus, den wir jetzt haben, ist nicht mehr zeitgemäß?

Der Kapitalismus ist unglaublich krisenresistent. Er hat bisher immer alle Kritik verinnerlicht. Man kann auch innerhalb des Kapitalismus mehr oder weniger Elend haben. Wer nicht zynisch ist, muss für jede Verbesserung im Rahmen des Kapitalismus kämpfen. Ich sage aber auch, wenn du Fluchtursachen wirklich bekämpfen willst, musst du am Ende des Tages ran ans Eingemachte, das heißt, an die kapitalistische Wirtschaftsordnung. Allein die Frage von Klimaschutzes ist mit einem kapitalistischen Höher-Schneller-Weiter nicht zu beantworten. Man muss über den Kapitalismus hinausdenken. Mir ist bewusst, dass man im Bundestag nicht innerhalb von vier Jahren das Kapitalismusabschaffgesetz durchbekommt. Das kriegt man auch nicht im Rahmen eines Landes alleine nicht hin. Aber wir müssen wenigstens die Debatte darüber aufrechterhalten, damit das Nachdenken darüber, wie etwas anders sein könnte, welche Stellschrauben man verändern müsste, welche Schritte man gehen müsste, nicht aufhört.

MD: Da kommt man unweigerlich zur Frage nach dem Privateigentum an Produktionsmitteln. Irgendwann kommt man an den Punkt, an dem man an die großen Konzerne, an die Finanzmärkte ranmuss, wenn man wirklich nachhaltig etwas ändern möchte.

In der Tat, mit der Eigentumsfrage muss man sich beschäftigen. Sie lässt sich nicht so einfach damit beantworten, dass man alles verstaatlicht und dann ist alles gut. Wir haben ja zum Bespiel in Schweden große Konzerne wie Vattenfall in Staatsbesitz. Die machen ja auch nicht gerade die beste Energiepolitik. Wofür Vattenfall steht, ist auch nicht der Sozialismus, von dem ich träume. Wichtig wäre, dass man andere Formen von Eigentum unterstützt und fördert. Zu DDR-Zeiten hieß es ja auch, es wären volkseigene Betriebe. In der Realität hatten die Beschäftigten nicht immer mitzureden. Die Frage ist, wie man die Verfügungsgewalt nach und nach der Willkür einiger weniger entziehen kann und in eine demokratische Gesellschaft überführen. Jeder Kampf um höhere soziale und ökologische Standards, der den Konzernen auferlegt wird, ist auch ein Kampf um mehr öffentliche Verfügungsgewalt über Produktionsmittel. Jeder Kampf um mehr Mitbestimmung innerhalb des Betriebes- vor allem, wenn er auch geführt wird mit der Frage: Was produzieren wir denn eigentlich? Wollen wir nicht ökologisch umsteuern? Dies ist auch ein Kampf, um mehr und mehr Gewalt über die Produktionsmittel in die Hände der Beschäftigten zu legen. Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung, Auflagen im Sinne von Verbraucherschutz und Ökostandards sind Möglichkeiten, die Verfügungsgewalt zu verteilen. Und dann gibt es Bereiche, zum Beispiel bei Stromnetzen, da würden wir sagen, die müssen ganz klar in staatliche Hand kommen.

MD: Der Gedanke klingt charmant, die bestehenden Verhältnisse sukzessive aufzuweichen. Aber unser Fortschritt, hier in Westeuropa, in technischer und auch in sozialer Hinsicht, ist ja letztendlich auch ein Produkt einer gewissen Konkurrenzsituation. Man musste einfach bessere Produkte, bessere Leistungen anbieten. So etwas kommt ja am Ende vielen zugute. Wir leben besser, weil wir eine hochtechnisierte Gesellschaft sind, die gute Produkte herstellt. Wenn alles ausgeglichen wird, wie sie sagen, gibt es ja die zu Innovationen führende Konkurrenzsituation nicht mehr.

Das wäre die Unterstellung, dass Menschen dann besonders gut und innovativ sind, wenn sie unter extremen Druck und Wettbewerb stehen.

MD: Diese These steht im Raum…

Der möchte ich widersprechen. Ich kann nur von mir selber sagen, wann ich besonders gut bin. Nicht, wenn ich etwas machen MUSS, sondern, wenn ich von einer Sache inhaltlich überzeugt bin, überzeugt, dass sie mich voranbringt. Es gibt ja trotzdem einen Anreiz, Sachen zu entwickeln und zu machen. Es soll ja eben nicht eine totale Verstaatlichung geben, wo es keine eigene Initiative gibt. Es soll aber auch nicht die pure Existenzangst sein, die die Leute treibt. In der Regel waren die wirklich guten Erfinder nicht Leute, die am Hungertuch genagt hatten und nicht wussten, wie es bei ihnen weitergehen soll.

MD: Oftmals waren Erfinder durchaus arm. Sie hatten eine gute Idee, aber industrialisiert und somit durch effiziente Produktionsmitteln allen zugänglich gemacht wurden die Ideen oft von anderen. Wenn man alles nivelliert, geht dieser Anreiz verloren, hat man wieder so eine Art Sozialismus. Ist das gewollt?

Was soll denn nivelliert werden?

MD: Innovation in den Firmen entsteht auch durch Druck. Ich muss besser sein als meine Konkurrenz, sonst verkaufe ich mein Produkt nicht. Also muss ich Geld in Forschung und Entwicklung stecken, muss ich meine Produktion effektivieren.

Gerade im ganzen Bereich der immateriellen Produktion, der gemeinsamen Wissensschöpfung, gibt es genügend Beispiele, zum Beispiel, was Software anbetrifft. Leute, die sich auskennen, sagen, dass die Open-Source-Bewegung richtig gut ist und teilweise viel besser als die kommerziellen Bereiche, obwohl niemand was daran verdient.

MD: Es ist aus meiner Sicht ein ungelöstes Problem an diesem ganzen Denkmodell.

Es gibt ja keine Nivellierung. Grundeinkommen meint ja keinen Einheitslohn. Es soll ja nur heißen, dass Leute keine Angst um ihre Existenz haben müssen. Existenzangst treibt Leute in den Selbsthass, in den Hass auf andere oder in die Kriminalität. Oder in die totale Passivität und Selbstaufgabe.

PSSt: In welchem Bereich muss man sich ein bedingungsloses Grundeinkommen vorstellen? Von welchem Betrag redet man da?

Das parteienübergreifende Netzwerk hat vier Kriterien genannt. Ein Kriterium ist die Höhe. Es muss armutsfest sein und ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe ermöglichen. Ich finde die Berechnung, dass 1050 Euro im Monat ein soziokulturelles Grundeinkommen gewährleisten, überzeugend.

MD: Dennoch erscheint mir der Gedanke der Annäherung an andere Eigentumsverhältnisse noch etwas utopisch. Mir fehlt die Phantasie, wie man es umsetzen kann.

Ein anderes Beispiel: Jetzt genau in der Flüchtlingssolidaritätsbewegung, da sind so viele Leute aktiv geworden und über sich hinausgewachsen, ohne dass sie irgendeinen Druck hatten, ohne dass sie einen Chef oder Dienstpläne hatten. Ich habe das in Berlin bei LAGESO gesehen, bei der Initiative, wo vor allem Ehrenamtliche waren, wo alles irgendwie improvisiert werden musste, wo niemand mit einer Verwarnung oder Geldentzug bestraft werden konnte, weil sowieso niemand etwas bekommen hat, da hat es irgendwie funktioniert. Immer etwas chaotisch, immer etwas improvisiert. Dort, wo man nach Diensthierarchie und so weiter organisiert war, immer unter Druck und öffentlicher Beobachtung stehend, da hat es komischerweise nicht funktioniert. Da war man nicht in der Lage, ein System zur Vergabe von Nummern zu schaffen, wo Geflüchtete nicht nächtelang in der Kälte stehen müssen. Da kann mir doch niemand sagen, dass immer der schlichte, einfache Druck dazu führt, dass Leute bessere Leistungen abliefern.

MD: Wahrscheinlich muss man hier einen Mittelweg finden. Ganz ohne jeden Druck, ohne die Erkenntnis, dass man etwas leisten muss, passiert nichts.

Das ist eine Frage der Bildung, die in jedem Einzelnen das Bedürfnis weckt, dem eigenen Leben Sinn und Bewandtnis zu geben, sich sinnstiftend in die Gesellschaft einzubringen. Auch das Bedürfnis, sich selber weiterzuentwickeln, zum einen, weil es für einen selber ein tolles Erlebnis ist, zum anderen, weil es gut ist für die Gesellschaft. Das ist etwas, was Kindern von klein auf, vom Elternhaus und von den Schulen und Bildungseinrichtungen, mitgegeben werden muss. Das ist die große Aufgabe von Bildung. Und jede Schule, die auf Auswendiglernen und auf simplen Konkurrenzdruck orientiert, trägt dazu bei, dass all das verkümmert, wenn der Druck nachlässt. Ich glaube, das ist ein Problem.

PSSt: Ich bin teilweise erschüttert, wenn man zehnjährigen Kindern zuhört und in deren Gesprächen geht es nur ums Geldverdienen, Geldverdienen…

Konkurrenzdenken und Profitdruck führen ja dazu, dass jede Menge Sachen gemacht werden, die auf lange Sicht für die Gesellschaft verheerende Folgen haben. Umweltverschmutzung und anderes… Kriminalität und besonders schlimme Formen von Ausbeutung, weil man sich ja irgendwie über Wasser halten muss. Darum glaube ich, dass Konkurrenzdruck auch ganz viele negative Folgen haben kann.

MD: Es ist eine Gratwanderung. Wenn beispielsweise zwei Firmen ein identisches Produkt herstellen, wissen beide, dass nur eine Firma ihr Produkt verkaufen kann und die andere Firma wahrscheinlich untergeht. Und dieser Antrieb kann bessere Produkte erzeugen, Wie gesagt, ein schmaler Grat.

Der kleine Handwerker, der seine Leute gut bezahlen will, aber nicht kann, ist nicht der böse Kapitalist, der seine Leute ausbeuten will. Aber er steht im Wettbewerb mit einem anderen Handwerker, der seinen Mitarbeitern fünfzig Cent weniger die Stunde bezahlt, deswegen günstigere Angebote machen kann und deswegen den Auftrag bekommt. Deswegen muss der seinen Leuten sechzig Cent die Stunde weniger bezahlen. Er wird zu Dingen gezwungen, die wider seine Überzeugung sind, weil Wettbewerb zu einer Unterbietung der sozialen Standards führt, dazu, dass man bei den Umweltstandards, oder bei der Müllentsorgung spart.

PSSt: Und die Verwaltung macht mit. Es wird immer nach dem günstigsten Angebot geguckt.

Eigentlich müsste am günstigsten auch heißen: am nachhaltigsten.

MD: Man muss es sich auch erstmal leisten können, die billigsten Angebote auszusortieren

PSSt: Man hat auch eine moralische Verpflichtung, meiner Meinung nach…

Das eine ist das individuelle Verhalten, dass andere ist, was volkswirtschaftlich passiert. Wenn man eine Spirale nach unten hat, hat man auch eine Reduzierung der Massenkaufkraft bei den mittleren Einkommen. Das führt auch wieder dazu, dass sich weniger Leute einen Handwerker leisten können. Durch den Mindestlohn geht die Spirale wieder nach oben. Das funktioniert nicht immer reibungslos aber ich bin von der Idee überzeugt, dass es nach unten eine Grenze geben muss, wo die Leute vor Armut geschützt werden. Die würde ich momentan bei 1050 Euro sehen. Dazu gehört auch, dass jeder im Krankheitsfall eine ordentliche Versorgung bekommt. Die mittleren Einkommen müssen deutlich entlastet und bessergestellt werden, damit sie mehr Geld vor Ort ausgeben können. Die können sich nicht die Teilnahme an globalen Spekulationen leisten. Die haben noch zu viele Konsumwünsche, die sie hier vor Ort erfüllen wollen. Es kann auch Reichtum geben aber diese ganz immense Konzentration von Reichtum, dem wachsenden Reichtum einiger weniger, damit muss man sich anlegen. Es kann schon eine breite Spanne geben. Man kann eine Debatte führen, wie groß die Spanne zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Einkommen sein sollte in einer Gesellschaft. Kann man oberhalb einer halben Million netto jedes Jahr wirklich noch mehr Lebensgenuss haben? Selbst Superreiche können nicht den ganzen Tag Champagner trinken.

PSSt: Inwieweit halten Sie das bedingungslose Grundeinkommen für finanzierbar?

Das ist nicht aus der Portokasse zu bezahlen. Das ist ein großer Kraftaufwand, da darf man sich nichts vormachen. Das geht nur schrittweise. Ein erster Schritt wäre hier die Abschaffung von Sanktionen bei Hartz IV, ein zweiter Schritt wäre die Abschaffung des Konstruktes „Bedarfsgemeinschaft“, wo immer geschaut wird, ob da jemand ist, mit dem man zusammenwohnt, den man zur Kasse bitten kann. Wo Frauen das Gefühl haben, sie werden als Taschengeldempfänger behandelt und müssen ihren Partnern, die sowieso nicht viel verdienen, auch noch das Geld abnehmen. Das wären alles solche Schritte. Oder Kindergrundeinkommen, eine Grundrente. Es gibt mehrere Finanzierungsmodelle, die BAG Grundeinkommen unserer Partei en hat ein eigenes Modell vorgeschlagen. Bundestagsabgeordnete zahlen in der Regel drauf. Böse gesprochen würde ich jetzt vielleicht sagen, deshalb sollte man es per Volksentscheid einführen, falls die Abgeordneten zu egoistisch sind. Wobei das, gesellschaftlich gesehen, ein sehr kurzsichtiger Egoismus ist. Wo die Schere zwischen arm und reich zusammengeht, ist die Lebensqualität für alle Einkommensschichten besser. Es kann jeden treffen, in Hartz IV zu landen.

 MD: Nicht ausgeschlossen! Eine abschließende Frage: Stellen Sie sich vor, Sie wären morgen Bundeskanzlerin. Was würde sich ändern?

Ich würde alles tun, um mich gegen diesen Job zu wehren. Ich übernehme gern politische Ämter und Verantwortung, aber mir ist wichtig, dass ich ein Mindestmaß an Verfügungsgewalt über mein Leben habe. Dazu gehört auch ein Mindestmaß an Verfügungsgewalt über den eigenen Terminkalender. Ich glaube, das hat eine Bundeskanzlerin nicht mehr. Ich wünschte, in einer Gesellschaft wäre ein erfülltes Familien- und Freundschaftsleben vereinbar mit dem Job einer Bundeskanzlerin.

Aber wenn man mich dazu verdonnern würde… Wichtig wäre mir der Aufbruch in eine wirklich friedlichere Welt und das beginnt mit dem sofortigen Stopp aller Rüstungsexporte. Und wichtig wäre es, Armut zu bekämpfen und jeden Schritt, der in Richtung Grundeinkommen führt, zu gehen.

MD: Auslandseinsätze der Bundeswehr?

Auslandseinsätze und Rüstungsexporte müssen dann sofort unterlassen werden.

MD: Auslandseinsätze der Bundeswehr aus humanitären Gründen?

Ich bin eine Pazifistin. Wohl wissend, dass es Situationen gibt, wie in Ruanda, wo es der Pazifismus echt schwer hat, sich zu begründen und man sich nicht automatisch moralisch überlegen fühlen sollte. Ich finde, wenn man sich für so eine Überzeugung entscheidet, dann muss man es auch konsequent vertreten. Viele Leute verdienen am Krieg, haben deswegen so ein großes Interesse, dafür Propaganda zu machen, emotionalen Druck aufzubauen und Bilder zu schaffen, wo in sich in einer konkreten Situation jeder Kriegseinsatz vernünftig darstellt. Nur allein die Bilanz, nach fünfzehn Jahren „Krieg gegen den Terror“ ist oft….

MD: Verheerend?

Bei all den Bomben, die gefallen sind, bei all den bösen Buben, die man schnappen wollte: Unterm Strich ist die Welt nicht sicherer geworden, sondern Terrororganisationen wie der IS haben Zulauf. Das bestärkt mich eher in meinem grundsätzlichen Pazifismus. Die Partei „Die Linke“ selber hat eine abgestuftere Position. DIE LINKE ist für die Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die rote Haltelinie ist die Beteiligung an Kampfeinsätzen der Bundeswehr. Man müsste in jedem Falle sehr genau schauen, was es heißt.

MD: Aber ist das nicht Augenwischerei? Die Grenze ist doch fließend!

Wir sind noch nicht in der Situation gewesen, wo wir gesagt haben: Da denken wir ernsthaft darüber nach. Wenn sie mich als Privatperson fragen, sage ich: Ich bin Pazifistin. Die Partei hat Pazifisten in ihren Reihen, ist aber nicht hundertprozentig pazifistisch und antimilitaristisch.

MD: Hätten Sie Regierungsverantwortung, müssten Sie sich mit dem Thema Bundeswehr auseinandersetzen. Eine konsequente Schlussfolgerung ihrer pazifistischen Gedanken wäre, dass man die Bundeswehr nicht mehr braucht.

Die gibt es für den Angriffsfall zur Selbstverteidigung.

MD: Wie stehen Sie zu TTIP und CETA?

Ich bin ja in den Leseraum gegangen, als das noch nicht öffentlich war, hab mir die Dokumente angeschaut. Ich kann nur sagen, alles, was ich dort gelesen habe, und allein all diese ganze Geheimhaltung ist schon ein Offenbarungseid. Wer etwas tun will für mehr Demokratie und höhere soziale und ökologische Standards, der braucht keine Geheimhaltung. Schon dadurch ist klar, dass es Verträge sind, die komplett im Interesse von großen Konzernen sind. Das ist ein Angriff auf die Demokratie und deshalb bin ich froh, dass es hier eine breite Protestbewegung dagegen gibt,

PSSt: Glauben Sie, es gibt eine Chance, es zu verhindern?

TTIP kann man noch verhindern und auch CETA. Wir hätten im Bundesrat eine Mehrheit, es zu verhindern. Die SPD müsste nur mitmachen. Und ich weiß, die SPD in ihrer Mehrheit ist gegen CETA. Sie wird nur gerade vom CETA Cheflobbyist Sigmar Gabriel über den Tisch gezogen, dass man jetzt doch für CETA sein könnte. Aber CETA ist TTIP durch die Hintertür. Viele US Firmen haben Tochterfirmen in Kanada, sie könnten dann einfach ihre Tochterfirmen vorschicken, um gegen Dinge, die ihnen nicht gefallen, zu klagen.

PSSt: Was veranlasst Politiker wie Sigmar Gabriel für TTIP zu sein? Ich kann nicht nachvollziehen, was einen SPD- Chef dazu treibt.

Vasallentreuegegenüber der CDU kann ein Punkt sein. Zum Zweiten, weil ihm am Ende die Wirtschaftsunternehmen doch näher sind als die Menschen, die dann unter den Folgen leiden. Mal ganz böse gesprochen: Dem fehlt jeglicher Klassenstandpunkt. Diejenigen, die viel haben und die sich entsprechend windige Wirtschaftsanwälte leisten können, das sind in der Regel nicht die Kleinunternehmen, die es hier gibt, wie zum Beispiel Start-Ups. Die können sich keine Anwälte leisten, die sich englischsprachig auf internationalem Parkett bewegen. Und die, die das können, haben jetzt große Chancen, sozialen Fortschritt permanent zu verhindern. Und ich muss sagen, Sigmar Gabriel spielt der Politikverdrossenheit richtig in die Hände.

MD: Wären Sie, die Linke, in der Regierungsverantwortung: Wäre eine Koalition mit der CDU denkbar?

Eine Koalition mit Frau Merkel und Horst Seehofer ist für mich unvorstellbar. Es geht bei Rot-Rot-Grün nicht einfach so um arithmetische Rechenspiele. So ein Projekt macht nur Sinn, wenn es sich um eine Linksregierung handelt, die das Ruder rumreißt. Um jetzt einfach das mitzumachen und abzunicken, was alle Regierungen vorher schon gemacht haben, … nein, da können wir in der Opposition mehr bewegen.

 Wenn es aber darum geht, eine Regierung zu bilden, die in diesem Land wirklich einen anderen Weg einschlägt, für eine Gesellschaft frei von Angst, wenn es darum geht, einen Aufbruch zu einer wirklich friedlichen Weltordnung in die Wege zu leiten, mehr Zeitwohlstand für alle voranzubringen, wäre dies ein politisches Projekt, welches mich begeistert kann und wofür ich mich auch einsetze. Aber das ist mehr, als als Juniorpartner schüchtern am Verhandlungstisch zu sitzen. Das hieße, richtig etwas verändern. Sanktionsfreie Mindestabsicherung einzuführen, solidarische Bürgerversicherung statt Mehrklassensystem einzuführen, und, und, und…

MD: Ein gutes Schlusswort! Vielen Dank!

 

„Wortasyl“ – Gedichte statt Parolen

Gott ist wunderbar. Ich sah die Liebe und die Schönheit im herrlichen Jerusalem

Ich ging eine alte Mauer entlang in der Altstadt Jerusalems

 Ich hörte, wie die Mauer ihren  vieltausendjährigen Geburtstag feierte. Und noch einen…

Sie lud mich ein, einen Toast auszubringen auf alle Religionen

 Sie sprach zu mir:

Du weißt, ich war vor den Büchern hier.

Gott taufte mich mit dem heiligen Schlamm des Flusses der Unsterblichkeit.

 

Basher Hussein (28), geboren in Palästina, lebt heute in Dresden, arbeitet als Apotheker. Er kam nach Deutschland, um dem eingesperrten Leben in Gaza zu entkommen. Ein Leben, obschon materiell ohne Not, dennoch geprägt von Mauern und Unfreiheit. Seine Texte sprechen davon. So wie er nutzten etliche Eingewanderte die Möglichkeit ihre Geschichten und Gedichte einem Publikum darzubieten. Geschichten von Flucht, Vertreibung, Einsamkeit aber auch von Liebe, von Glück und Hoffnung und Lebensfreude. „Wortasyl“ gab ihnen die Möglichkeit. Am 24.09.2016 gab ihnen das Festspielhaus Hellerau eine Bühne. Petra hatte die Idee zu „Wortasyl“ schon irgendwann im April und fragte mich, ob ich mitmachen würde. Und so  organisierten und moderierten wir diese Veranstaltung, unterstützt von Wissam Fakher, einem Iraner, der hervorragende Übersetzungen lieferte. Wobei …organisieren… Abendelang haben wir Texte gesichtet, versucht, zu verstehen, vom Englischen ins Deutsche übersetzt, dabei bemüht, gerade bei Gedichten, die Poesie zu bewahren. Es war Wahnsinn, die letzte Übersetzung hatten wir drei Stunden vor Beginn fertig…

Petra moderiert

Petra moderiert

Die Idee war, nicht über die Menschen zu sprechen, die aus den unterschiedlichsten Gründen zu uns gekommen sind, sondern sie selbst zu Wort kommen zu lassen. Mit dem, was ihnen wichtig ist, was sie erzählen möchten. Und es gab viel zu erzählen. Neben Gedichten wie den von Basher Hussein gab es Liebesgeschichten, Romanfragmente, Beatboxing, ein Interview. Und obschon unser ausgetüftelter Ablaufplan schon gleich nach Beginn obsolet war, durch Plan B und C ersetzt wurde, war „Wortasyl“ ein Erfolg. Wer erlebt hat, mit welcher Begeisterung die Menschen auf der Bühne waren, wie sie erzählten, wie mancher während seines Vortages alles um sich herum vergaß, so dass Geschichten immer mehr ausgeschmückt wurden, immer blumiger wurden, kann dem nur zustimmen. Gelesen wurde arabisch und deutsch, englische Übersetzungen lagen für die Zuschauer bereit.  Samer Koja (20) ein Kurde aus Aleppo sprach auf der Bühne in einem Interview über seinen Weg nach Deutschland, eine Geschichte, die zwischen Normalität und Emotion hin und her pendelte. Das Publikum, gemischt aus Deutschen und Zugewanderten, war begeistert. Selbst während der Veranstaltungen wurden noch Beiträge angemeldet, zum Teil mit einer unheimlichen Eindringlichkeit. Der Saal im Festspielhaus bot eine wunderbare Kulisse.

Basher Hussein (Mitte) Basher liest seine Gedichte. Links Wissam Fakher…., der Dolmetscher

Basher liest seine Gedichte. Links Wissam Fakher, der Dolmetscher

Einen weiteren Höhepunkt waren die Beiträge von Sarah Rehm, die gleich mehrere Schützlinge ihrer Schreibwerkstatt mitgebracht hatte.

Die Zeit für die Veranstaltung war auf anderthalb Stunden bemessen. Viel zu kurz, wie sich herausstellte. Und so zog man samt Publikum einfach um, in den Golgi-Park, ans Lagerfeuer. Eine völlig andere Kulisse und dennoch war das Interesse ungebrochen.

Lagerfeuertexte

Lagerfeuertexte

Die Veranstaltung war ein Erfolg, auch dank des Engagement des Festspielhauses Hellerau. Und, so hoffen wir, Petra und ich, dass „Wortasyl“ ein kleiner Beitrag war. Ein Beitrag zu dem durchaus schwierigen Unterfangen der Integration der Menschen, die zu uns gekommen sind. Wer seine Geschichten erzählt, ist bereit, sich zu öffnen. Und nur mit Offenheit kann ein Miteinander gelingen. Vielleicht besteht die Möglichkeit, diese Veranstaltung mit der tatkräftigen Unterstützung des Festspielhauses zu wiederholen.

 

Dresden, November 2016